Redet miteinander! Das Internet of Things macht die Gebäudetechnik gesprächig
…wenn ihr könnt
Kommt man aber dem Wald näher, lernt man einzelne Bäume zu unterscheiden. Der eine quatscht munter drauflos, egal, wer ihm zuhört, der andere ist sehr wählerisch, wem er was verrät. Ein dritter mag partout nur mit seinesgleichen reden, und dann gibt es hier und da Grüppchen, die sich untereinander auf einen eigenen Dialekt verständigt haben und sich unterschiedlich erfolgreich darum bemühen, weitere Mitglieder für ihren Club zu werben.
Das „Internet of Things“ ist nicht die lang ersehnte Vereinheitlichung aller Kommunikationsstandards, auf die so viele hoffen. Das „Internet“ verspricht lediglich, dass eine gemeinsame Infrastruktur genutzt wird, die potenziell weltweite Erreichbarkeit erlaubt. Eine Reihe von Spielregeln sorgt dafür, dass Nachrichten unversehrt ihre Ziele erreichen und sich dabei gegenseitig möglichst nicht in die Quere kommen. Die eigentlichen Nutzdaten können ganz unterschiedliche Form haben. Vielleicht handelt es sich um einen selbsterklärenden Klartext, wie z. B. die Wortfolge „Licht an“, bei einem anderen System ist es ein verschlüsselter Befehlssatz, für dessen Entzifferung der Empfänger im Besitz des passenden Schlüssels sein muss. Das Ganze ähnelt einem Paketdienst, der den Versand unterschiedlichster Pakete abwickelt, ohne etwas über deren Inhalte zu wissen. Ob also zwei Geräte miteinander sinnvoll kommunizieren können, hängt längst nicht alleine an ihrer Internetfähigkeit, sondern daran, ob sie eine gemeinsame Sprache sprechen.
Die Auswahl dafür ist groß. Am besten ist das zu besichtigen bei den derzeit rund einem Dutzend verschiedener Funkprotokolle, die sich im Bereich der Gebäudetechnik um Gunst und Aufmerksamkeit von Geräteherstellern und Anwendern bemühen. Aktuell die Nase vorn haben zwei Varianten namens Z-Wave und ZigBee, die jeweils große Allianzen mit zig Herstellern hinter sich vereinen. Deren gemeinsames Versprechen ist es jeweils, mit den Geräten des eigenen Lagers reibungslos zusammenarbeiten zu können. Dieses Versprechen wird meist auch leidlich eingelöst. Am bekanntesten dürfte derzeit ein für den privaten Wohnbedarf konzipiertes System von LED-Leuchtkörpern in Glühlampenform sein, die per ZigBee miteinander kommunizieren und sich z. B. von ZigBee-fähigen Lichtschaltern oder via WLAN-Bridge auch per Smartphone-App komfortabel bedienen lassen.
Leuchtende Beispiele
Überhaupt springen einem als erstes Leuchten ins Auge, wenn man sich im Gebäude auf die Suche nach potenziellen IoT-Kandidaten macht. Von allen technischen Systemen sind sie am zahlreichsten vorhanden und am gleichmäßigsten verteilt. Große Leuchtenhersteller haben diese Erkenntnis schon in Produkte umgesetzt: LED-Deckenleuchten, die keinen Strom-, sondern nur noch einen Ethernet-Anschluss haben. Die LEDs begnügen sich mit der Leistung, die sie als Power-over-Ethernet geliefert bekommen. Der Datenanschluss dient dazu, in den Leuchten verbaute Sensoren auszulesen oder gar Informationen in umgekehrter Richtung hochfrequent und für das Auge unsichtbar auf das Licht aufzumodulieren. Ein Smartphone mit Kamera und passender App bezieht daraus Informationen passend zum Standort der Leuchte. In Museen oder Einkaufszentren sind solche Systeme schon im Einsatz.
Sicher unsicher
Die Kommunikationsfreudigkeit von IoT-Geräten ist die Voraussetzung dafür, ihre Daten für vielerlei Dienste nutzen zu können. Zugleich ist sie auch ein Fluch, denn was für den eigentlichen Nachrichtenempfänger bestimmt ist, können auch unbefugte Ohren und Augen mitverfolgen. Die gerade für Nachrüstungen so beliebten Funklösungen machen es bösen Buben besonders einfach; Funksignale lassen sich leicht abhören. Zwar gibt es ernstzunehmende Ansätze, den Funkverkehr zu verschlüsseln. Die Hersteller schludern aber oft leider bei der Implementierung oder machen es dem Nutzer zu leicht, Geräte und Anlagen in Betrieb zu nehmen, ohne wenigstens ein individuelles Passwort zu setzen. Funkgesteuerte Garagentore, Bluetooth-Türschlösser oder Heizkörperthermostate lassen sich häufig mit erschreckend geringem Aufwand kapern.
Erst recht wird Sicherheit ein wichtiges Thema, wenn das
Gebäudesystem über die Grenzen der eigenen vier Wände ins Internet ausgreift, z.
B. für Abrechnungs- oder Wartungszwecke. Vor gut drei Jahren machte die
Fernwartungsfunktion eines großen Heizungsherstellers in dieser Hinsicht
unrühmliche Schlagzeilen, die erst mit der Empfehlung des Herstellers
verstummten, den Anlagen sprichwörtlich den Stecker zu ziehen. Und vor wenigen
Monaten kam ans Licht, dass sogar Alarmanlagen sich mit vergleichsweise
einfachen Mitteln austricksen lassen und damit eher im Zweifel dem Einbrecher
als dem Eigner nutzen.
Wolkige Aussichten
Selbst wenn alle Einfallstore zugemauert und alle Sicherheitsfunktionen aktiviert sind, stellt sich die Frage, welches Eigenleben die Nutzerdaten eigentlich entwickeln, wenn sie das Haus erst Richtung Cloud verlassen haben. Aus den Daten von Bewegungsmeldern und Verbrauchszählern lassen sich unschwer An- und Abwesenheitszeiten in einer Wohnung rekonstruieren. In den falschen Händen ist das nützliches Wissen zur Planung des nächsten Beutezugs. In Zeiten, in denen reihenweise Kundendatenbanken von Onlineshops gehackt werden oder der Bankraub von Bitcoins in Mode kommt, ist das kein abwegiges Szenario.
Und trotzdem setzen einige Anbieter von Smart-Home-Systemen unbeirrt eine Anbindung von Hausinstallationen an ihre herstellerseitigen Server voraus. Wenn es geschickt gemacht ist, funktioniert bei einem Ausfall der Verbindung oder des Servers wenigstens noch die lokale Installation weiter; wenn nicht, folgt dem Ausfall wortwörtlich die kalte Dusche, weil die Therme den Dienst verweigert.
Abbildung 2: Viele Smart-Home-Anbieter versprechen die Integration aller nur denkbaren
Geräteklassen im Haus. Dafür muss aber die Anbindung an den Server des
Systemanbieters stehen. |
Zögerliche Kundschaft
Für Anbieter smarter Mess- oder Automationssysteme wären die großen Wohnungsunternehmen ideal, weil umsatzbringende Kunden. Die aber pflegen aus guten Gründen ihre eigene, zurückhaltende Sicht. Aus dem Blickwinkel ihres Facility Managements wäre es sicher wünschenswert, Verbrauchsdaten zu Abrechnungszwecken räumlich wie zeitlich hoch aufgelöst erheben zu können. Dem steht aber in aller Regel eine sehr heterogene Messtechniklandschaft in über Jahrzehnte gewachsenen Liegenschaftsstrukturen entgegen, die nur mit immensem Aufwand auf einen einheitlich aktuellen Stand zu bringen wäre.
Hinzu kommt die in unterschiedlichsten Studien und Pilotprojekten immer wieder erhärtete Erkenntnis, dass der durchschnittliche Mieterhaushalt sich bei weitem nicht mit der Begeisterung auf all die neuen Möglichkeiten zur Steuerung seiner Haustechnik stürzen mag, wie sich das die Hersteller ausmalen. Entsprechend übersichtlich fallen dann die Auswirkungen auf den gefühlten Nutzerkomfort oder Einspareffekte aus, und bei Abwägung von Aufwand zu Nutzen fällt nicht selten die Entscheidung gegen eine flächendeckende Einführung der jeweils untersuchten Technik.
Bis das „Internt of Things“ die Gebäudetechnik durchdrungen
hat, ist es noch ein langer Weg. Von einigen sinnvollen Einsatzszenarien
abgesehen, fehlt oft noch die Vorstellung dafür, wofür das Ganze gut sein soll.
Der Aufwand für Einführung und Wartung erscheint unverhältnismäßig hoch, und
nicht zuletzt mahnen immer wieder neu entdeckte Sicherheitslücken zur
vorsichtigen Zurückhaltung.