7 Fragen an… Clemens von Radowitz
1. Stichwort „Digitalisierung“, geben Sie uns einen kleinen Einblick: Wie begann die Transformation in Ihrem Unternehmen?
Clemens von Radowitz: Das begann bereits vor 15 Jahren. Als ich damals zur Immobilien Basel-Stadt kam, befand sich die Firma in einem Restrukturierungsprozess. Es war die Zeit, als auch die selbst genutzten Immobilien als wichtige Assets erkannt wurden. Viele neue Aufgaben, wie der Aufbau eines professionellen Portfoliomanagements, und viel zu wenig personelle Ressourcen – auch nur schon für die angestammten Aufgaben – zwangen uns, die Rationalisierung der Arbeitsprozesse durch verstärkte Automatisierung voranzutreiben. Begonnen haben wir mit der Einführung eines professionellen Portfoliomanagementtools und MIS (Management Informationssystem). Auch das damalige SAP® RE classic war nicht wirklich geeignet, Immobilienprozesse schlank und effizient abzubilden. Der digitale Rechnungseingang mit automatischer Kontierung und Vorerfassung der Rechnungen war auch ein Meilenstein. Als wir 2010 eine professionelle IT-Infrastruktur aufgebaut hatten, begannen wir, uns Gedanken über die Digitalisierung von Geschäftsprozessen auch außerhalb des Büros zu machen. In der Schweiz gab es damals noch keine erprobten Lösungen für mobile Prozesse am Markt. Wir besuchten viele Messen und sprachen mit Jungfirmen. Bei PROMOS sind wir schließlich fündig geworden. Die ersten Arbeitsprozesse, die wir mit PROMOS zusammen erarbeitet hatten, waren die Sicherheitsrundgänge, Bestellungen, respektive Schadensmeldungen von unterwegs sowie die mobile Wohnungsabnahme. Die Einführung der Mieter-App war dann ein weiterer Schritt, mit dem wir dann auch unsere Kunden in die Digitalisierung einbanden.
2. Hat die Corona-Pandemie den Fokus auf den Ausbau digitaler Services gestärkt?
Von Radowitz: Ja, das half in der Tat enorm, mentale Hürden einzureißen. Von einem Tag auf den anderen waren auch IT-Muffel gezwungen, sich mit den digitalen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und diese live zu erproben. Es gab wohl noch nie einen erfolgreicheren Chief Digital Officer als Covid-19. Heute stoßen wir mit unseren Ideen zur Digitalisierung intern auf spürbar mehr Wohlwollen und Interesse und kaum mehr Widerstände. Die Skepsis gegenüber Veränderungen und Digitalisierung wich gar einem gewissen Optimismus. Heute sehen die Mitarbeiter die Chancen, welche die Digitalisierung bietet. Der Phantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt.
3. Wie entstehen neue digitale Lösungen in Ihrem Unternehmen? Haben Sie ein Erfolgsrezept?
Von Radowitz: Wir verfolgen einerseits einen sehr systematischen Ansatz. Dabei analysieren wir unsere Geschäftsprozesse auf Potenzial zur Effizienz- und Qualitätssteigerung. Insbesondere stark repetitive Prozesse eigneten sich zu Beginn für schnelle Erfolge. Hilfreich ist dabei immer eine ganz banale Frage: „Warum zum Teufel geht das nicht von selbst?“. Häufig werden wir von der Antwort überrascht. Zum anderen müssen wir mittlerweile aber auch das ganze Geschäftsmodell in Frage stellen und uns überlegen, wie wir uns konstant verbessern und neu ausrichten können, um nicht links von einem Newcomer überholt zu werden. Dafür besuchen wir Messen und Veranstaltungen, bei denen es um die Digitalisierung in der Immobilienbranche geht. Unsere Mitgliedschaft bei SwissPropTech als eines der ersten großen etablierten Immobilienunternehmen war auch sehr entscheidend, um in engen Austausch mit jungen Start-ups zu kommen. Der Kontakt zu den Start-ups ist ein steter Quell der Inspiration. Und von deren Art zu denken, zu arbeiten und vor allem auch zu entscheiden, können sich alle etablierten Unternehmen eine Scheibe abschneiden. Sogar branchenfremde Events bringen spannende Einblicke in die technologische Entwicklung.
4. Und was sind die wichtigsten neuen Technologien, an denen Sie derzeit arbeiten?
Von Radowitz: Mit einem ganz jungen Start-up aus der Schweiz realisieren wir ein Mikrolage-Rating, das über die Grenzen von Gemeinden hinaus funktioniert und eine Genauigkeit von 25 m zur analysierten Immobilie aufweist. Dabei kommen Big Data, Machine Learning, künstliche Intelligenz und natürlich einige smarte Algorithmen zum Einsatz. Das Resultat ist erstaunlich: Auf Knopfdruck haben wir für jede Nutzungsart und für jede beliebige Adresse ein Mikrolage-Rating. Das Tool ist sogar in der Lage, vorausschauend die am bestem geeignete Nutzung einer Immobilie vorherzusehen. Ich weiß, das klingt fast nach einer Kristallkugel, ist aber reine Technologie gepaart mit unserem Immobilienwissen.
Mit PROMOS sind wir stetig daran, die Mieter-App weiterzuentwicklen. Dabei ist die Initiative von PROMOS, ihre Kunden in einer firmenübergreifenden Arbeitsgruppe zusammenzubringen, enorm hilfreich. Wir Kunden können Ressourcen bei der Weiterentwicklung poolen und damit schonen. Für PROMOS hat es den Vorteil, dass nicht jede Idee individuell für einen Kunden realisiert werden muss und die Prioritäten klar sind. Es geht so viel schneller, einfacher und kostengünstiger für uns.
Außerdem haben wir dieses Jahr die Einführung der Vermietungslösung von PROMOS einschließlich der Interessenten-App gestartet. Als wir die Lösung damals auf dem OpenPromos Anwenderforum (OPAF) gesehen haben, waren wir Feuer und Flamme. Endlich einmal eine durchgehende Lösung für die Vermarktung – von der Kündigung bis zum Vertragsabschluss. SAP-basiert, aber ohne die unglückliche Rolle des Interessenten aus dem SAP-Standard einführen zu müssen. Wir sind sehr gespannt auf das Resultat!
5. Wie werden die neuen Technologien (Big Data, Künstliche Intelligenz, Machine Learning) die Immobilienbranche beeinflussen?
Von Radowitz: Sie bieten enormes Potenzial für raschere und bessere Entscheide. Unser neues Mikrolage-Rating ist nur ein kleines Beispiel für diese Entwicklung. Großes Zahlenmaterial künstlich intelligent aufzuarbeiten ist eines. Texte von Maschinen in Sekundenbruchteilen lesen und zusammenfassen zu lassen, bietet kaum absehbare Möglichkeiten. Dazu kommt die Kraft der Vorhersage durch Machine Learning von vergangenen Entwicklungen. Wenn die Maschine Fragen beantwortet und sich dabei nicht nur auf Zahlen, sondern eben auch auf Textanalysen stützen kann, eröffnet das ganz neue Horizonte. Aber auch die Möglichkeit von Chatbots als virtuelle persönliche Assistenten oder zur Beantwortung von telefonischen oder schriftlichen Mieteranfragen ist eine Riesenchance.
6. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen für Ihr Unternehmen, die die Digitalisierung mit sich bringt?
Von Radowitz: Der Wandel als Konstante. Noch nie veränderte sich die Arbeitswelt in einem derart rasanten Tempo wie heute. Das wird sich wohl noch weiter akzentuieren, was enorme Herausforderungen an die Führung und Rekrutierung von Mitarbeitern mit sich bringt. Fortlaufende Schulung alleine reicht da schon lange nicht mehr aus. Es muss eine agile Geisteshaltung bei allen Menschen im Unternehmen geschaffen werden, die Veränderung als Chance und nicht als Bedrohung ansieht. Dafür muss man viel mit den Leuten reden und ihnen immer auch klar aufzeigen, welche Verbesserungen und persönlichen Vorteile für sie dabei rausschauen.
7. Zum Abschluss: Wann hatten Sie zuletzt so einen magischen Moment, in dem eine innovative Technologie Sie verblüfft hat?
Von Radowitz: Oh… Da gab es schon viele! In jüngerer Vergangenheit hatte ich einen Moment auf dem letzten OPAF bei der Präsentation der Vermietungslösung von PROMOS oder kürzlich als wir unser neues Mikrolage-Rating erstmals präsentiert bekamen.
Vielen Dank für das Interview.
Die Serie „7 Fragen an ...“
widmet sich den digitalen Innovationen in der Immobilienwirtschaft. Wie gut sind die Unternehmen aufgestellt? Und auf welche Maßnahmen setzen sie? Experten und Branchenkenner stehen in Kurzinterviews Rede und Antwort.
Teil 3:
Clemens von Radowitz, CFO bei Immobilien Basel-Stadt