Die Metropole der Zukunft – ein Debattenbeitrag
Das Dorf in der Stadt
Die 15-Minuten-Stadt ist eine faszinierende Projektion. Sie wird erstmalig von der Pariser Universität Sorbonne skizziert und beschreibt als Vision einen tiefgreifenden Stadtumbau. Alles Wesentliche – also Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen, Freizeit und Kultur – sollen innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad von der Wohnung erreicht werden. Auf die Metropole Berlin bezogen wäre das eine Rückbesinnung auf das überschaubare und kompakte Quartier, also „das Dorf in der Stadt“. Der Klimawandel und CO2 senkende Maßnahmen werden als Treiber diese Szenarien befördern.
Das urbane Leben ist eben sehr reizvoll. Kurze Wege zur Arbeit sowie das Angebot machen das Stadtleben einfach attraktiv. Man verbringt viel Zeit außer Haus, die Kneipe wird zum Wohnzimmer, der Park oder das Café zum Arbeitsplatz. Den Zuzug der Menschen in Städte und Ballungsräume, den es immer schon wegen der Attraktivität der Großstädte gab, wird deutlich zunehmen. Zukünftig will man vorausschauend Knappheiten und Beeinträchtigungen vermeiden. Mangelnder Wohnraum, hohe Verkehrsdichte, fehlende Grünflächen und unzureichende Vernetzung der Menschen? – ein hoher Anspruch an unsere Metropole.
Abbildung 1: Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen, Freizeit und Kultur – sollen innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad von der Wohnung erreicht werden.
The City goes Green
Städte der Zukunft sind klimafreundlicher, weil Verkehrsstaus und -kollapse vermieden werden. Das Auto verliert insgesamt als Fortbewegungsmittel an Bedeutung. Ein gut ausgebauter Nahverkehr ist mit seinen Stationen und Haltestellen bis maximal 800 m gut erreichbar. Es gibt mehr Straßen – auch Luftseilbahnen mit dichter Taktung, um Verkehrsströme kostengünstig zusätzlich zu lenken. Autonom fahrende Elektroautos und Carsharing-Konzepte ermöglichen auch individuelle Mobilitätswünsche. Fernverkehre der Bahn werden in den Metropolen untertunnelt. Berlin hat es weitestgehend erreicht, Stuttgart setzt es um, in Frankfurt wird es geplant. Konversionen großer Gleisflächen sowie industriell und gewerblich genutzter Flächen werden mit umweltschonenden Produktionsprozessen bessere Funktionsmischungen in den Arealen wie Wohnungsbau, Handel und Dienstleistungen sowie Freizeit gewährleisten.
Die räumliche Integration von Arbeit, Wohnen und Freizeit unterstützt die Transformation von Immobiliennutzungen. Der traditionelle Einzelhandel verliert zum Teil durch den Online-Handel an Bedeutung. Leere Immobilien bleiben bestehen und sollten für gemischte Nutzungen, also Gewerbe, Wohnraum oder Urban Gardening, revitalisiert werden. Boomende Co-Working Spaces werden Quartiere aufwerten, weil ihre Akteure bewusst die Kommunikation und Kooperation in ihrer Nachbarschaft suchen – abseits ihrer beruflichen Notwendigkeiten.
Auch werden breite innerstädtische Verbindungsstraßen, Autobahnen und Parkplätze nicht überall gebraucht. Sie werden entsiegelt und rückgebaut. Auf diese Weise entstehen Vegetationskorridore, zusätzliche zusammenhängende Grünanlagen mit einer konsequenten Aufforstung, die umweltrelevante Funktionen übernehmen, wie Biotope, sodass man bereits von einer „Stadtverwaldung“ spricht. Sie dienen als CO2 Speicher und Vorrang- und Schutzflächen der Grundwassersicherung. Als verbindende Schneisen für die Frisch- bzw. Kaltluftbildung bauen sie die städtische Überwärmung ab. Klimabedingter Schlagregen wird in verdichteten Stadtgebieten in Zisternen aufgefangen und dem Grundwasser zugeführt. Dabei machen die städtischen Räume bereits große Fortschritte. Es gibt kaum noch verunreinigte Flüsse und Gewässer: Messstationen erkennen umwelt- und gesundheitsschädliche Luftverschmutzungen, Parklandschaften werden verknüpft. Eine emissionslose Mobilität mit Fahrrädern existiert bereits über dichte Radwegenetze. Green City setzt sich durch.
Wie smart kann Green City sein?
Zusätzlich müssen innerstädtische Verkehre deutlich reduziert werden. Das könnte damit gelingen, dass Gebühren für Bewohnerparkplätze in Quartieren mit Jahrestickets für den Nahverkehr ersetzt bzw. ergänzt werden. Pendler von außen werden zu den Stationen des Nahverkehrs in den Speckgürteln geführt und anstelle von Parkgebühren müssen Tickets erworben werden – alles bürgernah, über Apps digitalisiert und individuell abruf- und bezahlbar. Das macht eine Smart City zum einen möglich und zum anderen wirtschaftlicher, weil Haushalte und Familien im Gegensatz zu ländlichen Räumen auf mehrere eigene Autos verzichten können.
Spinnen wir das Szenario noch ein Stück weiter: Elektroautos fahren vollautomatisch. Parallel kann der Fahrgast sich auf einem Tablet über die aktuellsten Meldungen informieren oder über ein Portal Einkäufe oder Platzbuchungen in einem Kino vornehmen. Zwischendurch hält das mobile Fahrzeug zum Stromtanken an Aufladestationen an, wo die Wartezeit kurz und der Strompreis günstig ist. Der Fahrpreis wird je nach Ausnutzungsgrad des Fahrzeuges unmittelbar berechnet und abgebucht. Genau so könnte in komfortabler Weise die mobile Zukunft in Großstädten abseits eines öffentlichen Nahverkehrs aussehen. Smart City macht es möglich. Smart Country wird es so rasch wegen einer geringeren Besiedlung und unzureichender Sensorik in ländlichen Räumen nicht geben können.
Smart City befördert technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen und stellt den mündigen Bürger in den Mittelpunkt. Digitale Beteiligungsplattformen ergänzen die politische Willensbildung über gewählte Gremien in Großstädten mit Formen der sog. Graswurzelbewegung, eines spontan basisdemokratischen, aber auch konsensorientierten Meinungsbildungsprozesses. Kommunalpolitische Initiativen und Vorschläge der Bewohner zu Themen wie Wohnungsbau, Verkehr, Umweltmaßnahmen können unmittelbar debattiert und den Gestaltungsprozess in den Quartieren bürgerfreundlicher umgesetzt werden. Der Bürger sitzt auf seinem Sofa, benutzt dazu sein Smartphone mit entsprechenden Applikationen und ist damit Keimzelle einer zivilgesellschaftlichen Beteiligung.
Bürgeranregungen können u. a. das Urban Gardening sein, auch vertikale Farmen oder Indoor-Farmen genannt. Anstatt von Glas- oder Betonfassaden zieren Kletterpflanzen die Hochhäuser der Zukunft. Damit können Gebäudebegrünungen mit Luftpolstern und Verdunstungen die thermischen Bedingungen an Gebäuden optimieren und weitere Verschattungen erreichen. Temperaturschwankungen können in einem erheblichen Umfang zu allen Jahreszeiten minimiert und Kühlungsenergie eingespart werden.
Hinzu kommt, dass Grünflächen auf Dächern Niederschläge speichern können. Die Pflanzen schützen die darunterliegenden Bitumen- und Kunststoffbahnen und verhindern damit eine direkte Sonneneinstrahlung. Diese Vegetationsschicht verbessert die Wärmedämmung und filtert Schadstoffe und Staub aus der Luft. Das Mikroklima kann sich abkühlen und wird positiv beeinflusst. Dachflächen ermöglichen als Gärten sogar die landwirtschaftliche Nutzung mit Nutz- und Zierpflanzen und auch nicht genutzte Immobilien werden für die Agrarnutzung umgewidmet. Zusätzlich können mit einem eigenen Wasserkreislauf Fassadenbepflanzungen Früchte, Gemüse, Kräuter produzieren, die Biodiversität und Insektenvielfalt unterstützen und mit kurzen Transportwegen können dem Endverbraucher in dem Quartier bis zu 40 Prozent des Bedarfs an Gemüse und Obst in ausreichender Vielfalt zur Verfügung stehen, was wiederum hilft, die Logistikverkehre zu reduzieren.
Das alles klingt sehr nach Zukunftsmusik? Wir können sie schon hören. Lassen sich doch solche Modelle sehr einfach mit dem Anspruch verknüpfen, den 1,5 Grad-Pfad nachhaltig zu erreichen und so eine weitere Klimaerwärmung vermeiden. Alle Akteure können dazu einen nachhaltigen Beitrag leisten.
Ernst Hubert von Michaelis
Sales Representative
PROMOS consult
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