Serielles Bauen – Hoffnungsträger oder Architektur von der Stange?
Serielles Bauen – Wofür steht das?
Serielles Bauen bezeichnet eine Bauweise, bei der Bauteile und Module in Serie vorgefertigt und anschließend vor Ort zusammengesetzt werden. Im Gegensatz zur traditionellen Einzelanfertigung ermöglicht diese Methode eine effiziente und kostengünstigere Produktion von Wohngebäuden. Die Idee dahinter ist, durch standardisierte Bauelemente den Bauprozess zu beschleunigen, Baukosten zu senken und gleichzeitig eine hohe Qualität zu gewährleisten. Diese Bauweise könnte den wachsenden Herausforderungen im Wohnungsbau entgegentreten und eine innovative Lösung für die Wohnungsnot darstellen.
Was sind die Vorteile des seriellen Bauens?
Die steigenden Zinsen und Materialpreise der letzten Jahre haben das Bauen erheblich verteuert. Im Schnitt werden für einen Quadratmeter Wohnraum rund 3.200 Euro investiert. Laut Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, müssen Mieter 18,40 Euro pro Quadratmeter zahlen, damit sich das Bauprojekt auszahle. Das Konzept „Serielles und modulares Bauen 2.0“ des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW sieht vor, durch standardisierte Fertigung und Effizienz die Baukosten zu senken. Es könnte somit laut Müller das Bauen „revolutionieren“ und die Mietpreise auf etwa 14 Euro pro Quadratmeter reduzieren. Die Senkung des Bau- und Mietpreises verspricht Entlastung da, wo sie gerade am meisten benötigt wird.
Die Vorteile liegen nicht nur in der Kosteneffizienz, sondern auch in der Qualität und Effizienz des Bauprozesses. Die Rahmenvereinbarung „Serielles und modulares Bauen 2.0“ sieht vor, Bauteile und komplette Module industriell in großer Stückzahl vorzufertigen. Dies führt zu gleichbleibender Qualität, vermeidet Baufehler und verkürzt die Bauzeiten vor Ort erheblich. Außerdem fördert die regionale Produktion von Bauteilen die lokale Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Transportwege werden verkürzt, was zu einer Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks führen kann. Dieser lokale Fokus beim seriellen Bauen verbindet somit ökonomische Effizienz mit ökologischer Verantwortung, was gerade in Zeiten steigenden Umweltbewusstseins und lokaler Wirtschaftsförderung von großer Bedeutung ist. Zuletzt besteht auch für die Nachbarn ein nicht ganz unerheblicher Vorteil in der Vorabfertigung der Bauteile: Es entsteht deutlich weniger Baulärm, da diese nicht vor Ort beim Bauprojekt angefertigt werden, sondern in einer Produktionshalle.
Was spricht dagegen?
Serielles Bauen benötigt im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen mehr Fläche. Besonders in Großstädten mit begrenztem Raum erweist es sich als schwierig, groß angelegte Siedlungen zu errichten. Doch nicht nur der Flächenbedarf an sich stellt ein potenzielles Problem dar, sondern auch die gesellschaftlichen Herausforderungen, die damit einhergehen. Gerade in Dörfern mit geringer Einwohnerzahl könnten Großraumsiedlungen die Anzahl der Bewohner von einen Tag auf den anderen verdoppeln, was zu sozialen Spannungen führen kann. Ein potenzieller Nachteil liegt auch in der begrenzten Flexibilität der Architektur. Da serielles Bauen auf standardisierten Bauteilen basiert, ist die Vielfalt und Individualität der architektonischen Gestaltung beschränkt. Dies könnte zu einem homogenen Erscheinungsbild führen, das nicht den unterschiedlichen ästhetischen Vorlieben und kulturellen Anforderungen unserer Gesellschaft entspricht.
Was steht dem seriellen Bauen im Weg?
Wie so oft verlangsamt die Bürokratie den (Bau-) Prozess und steht der schnellen Umsetzung einer innovativen Idee im Weg. Momentan hat jedes Bundesland unterschiedliche Vorschriften, was die Realisierung der Bauprojekte verkompliziert. Und auch innerhalb der Bundesländer, insbesondere in Berlin, verlangsamen die bürokratische Prozesse die Bauprojekte enorm. Auch wenn der Bauprozess an sich dank der seriellen Produktion sehr viel schneller gelingen kann, sind es oft die bürokratischen Hürden, die den Prozess wiederum verlangsamen. In der Vergangenheit vergingen in Berlin vom Grundstückskauf bis zum Bau einer Immobilie oftmals bis zu zehn Jahre. Zwar soll mit dem Schneller-Bauen-Gesetz nun Abhilfe geschaffen werden, allerdings werden die Effekte nicht sofort spürbar sein. In Angesicht der Wohnungsknappheit ist dies eine substanzielle Hürde, die überwunden werden muss. Eine größere Flexibilität beim Bauen und eine optimierte Grundrissplanung können dazu beitragen, Kosten zu senken. Weniger Vorgaben und einfachere Normen sind wichtige Punkte, um den seriellen Bau in größerer Form nachhaltig umzusetzen.
Stichwort Nachhaltigkeit: Wie nachhaltig ist das serielle Bauen?
Auch die Diskussion über Umweltbedenken sollte hier nicht außer Acht gelassen werden. Durch intelligente Kombinationen von nachhaltigen Baustoffen und innovativen Bauteillösungen können im Neubau sogar Kosten eingespart werden. Müller betont, dass es dabei entscheidend ist, die energetischen Anforderungen nicht weiter zu erhöhen und plädiert für Investitionen vor allem in den Ausbau erneuerbarer Energien.
Abbildung 1: Bei der Grundsteinlegung an der Landsberger Alle waren Franziska Giffey (damals regierende Bürgermeisterin) mit Michael Grunst (damals Lichtenbergs Bezirksbürgermeister), den Gewobag-Vorständen Markus Terboven und Snezana Michaelis sowie Bezirksstadtrat Kevin Hönicke und Andreas Geisel (damals Stadtentwicklungssenator) (v. l.) vor Ort.
Die Angst vor seelenlosen Plattenbauten
Die Bedenken hinsichtlich der Ästhetik sind nachvollziehbar – insbesondere vor dem Hintergrund der großflächigen, monotonen Gebäude, umgangssprachlich „Plattenbauten“ genannt, die vor allem in der ehem. DDR in großer Zahl entstanden. In vielen Menschen lösen sie aufgrund ihrer simplen Bauweise und imposanten Größe oft ein tristes Gefühl aus und schaffen in „Plattenbau-Siedlungen“ eine wüstenartige Atmosphäre. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass historische Gebäude, einschließlich der DDR-Bauten, oft eine eigene architektonische und kulturelle Bedeutung haben. Der Blick auf ihre Stabilität, Beständigkeit und die gelebte Geschichte kann als wertvolle Perspektive in der Diskussion um serielles Bauen dienen. Außerdem bieten heutige technologische Entwicklungen weitreichendere Möglichkeiten. Es könnte nun eher gelingen, eine positive Atmosphäre und angenehme Ästhetik erfolgreich mit praktischen Aspekten zu verbinden.
Wie sieht serielles Bauen in der Praxis aus?
An der Landsberger Allee, im Stadtbezirk Berlin-Lichtenberg, wurde im Januar 2023 der Grundstein für das bisher größte Bauprojekt Deutschlands in Modulbauweise gelegt. Das neue Quartier der Gewobag wird nach Fertigstellung rund 1.500 Wohnungen umfassen und aus über 3.000 Modulen bestehen. Das Projekt wird von Vielen als Richtungsweiser für das Bauen der Zukunft gesehen. Deutschlands Hauptstadt weist aktuell einen Fehlbestand von über 50.000 Wohnungen auf. Die moderne Modulbauweise kann einen Beitrag dazu leisten, der Dauerkrise auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken. Das entstehende Quartier an der Landsberger Allee ist dabei keineswegs mit trister Plattenbauweise zu vergleichen. Sowohl optisch als auch funktionell bieten die Wohnbauten einen hohen Standard. Thorsten Schulte, Geschäftsführer der Gewobag Entwicklungs- und Baubetreuungsgesellschaft mbH, sieht die Vorteile in einer Kombination aus kürzeren Bauzeiten und höherer Qualität: „Vor dem Baustart muss alles bis zur letzten Schraube durchgeplant sein, aber auf der Baustelle – und damit insgesamt – sind wir vier, fünf Monate schneller.“ Gleichzeitig kann der Bau der Module bereits in der Produktionshalle überwacht werden, sodass die Mängelbehebung auf der Baustelle, die sonst Monate in Anspruch nimmt, auf ein Minimum reduziert wird. Der effizientere Rohstoffeinsatz lässt das serielle Bauen zudem in Hinblick auf Nachhaltigkeitsziele punkten. Noch ist zwar kein deutlicher Kostenvorteil zu erkennen, zukünftig ist jedoch davon auszugehen, dass dank der Entstehung standardisierter Prozesse und fester Infrastrukturen, deutliche Skaleneffekte realisiert werden können. Schulte gibt eine zuversichtliche Prognose für die Zukunft ab: „Wir werden einen hohen Grad an modularem Bauen bekommen. In dem Wohnungsbausegment, in dem wir viele, bezahlbare Wohnungen herstellen wollen, ist das das Mittel der Wahl.“ An ihre Grenzen gerät die Modulbauweise erst in Hinblick auf externe Faktoren. Bundesländerspezifische Bauordnungen, bestimmte Eigenschaften von Grundstücken sowie die Vereinbarung von bevorzugten Grundrissen und standardisierten Modulplänen können die Vorteile der Modulbauweise eintrüben.
Abbildung 2: Serielles Bauen ist nach einer Auswertung von Munich Strategy deutlich schneller und günstiger.
Abbildung 2: Serielles Bauen ist nach einer Auswertung von Munich Strategy deutlich schneller und günstiger. |
Fazit
In der Diskussion um serielles Bauen wird deutlich, dass dieser Ansatz keine universelle Lösung für alle Herausforderungen des Wohnungsmangels darstellt. Besonders in Großstädten mit begrenztem Raum kann der Flächenbedarf von Serienbauten ein Problem darstellen, während gesellschaftliche Spannungen bei einem schnellen Bevölkerungszuwachs in ländlichen Regionen nicht ausgeschlossen werden können. Trotz dieser Herausforderungen bietet das serielle Bauen jedoch signifikante Vorteile: Die Kosteneffizienz durch standardisierte Fertigung kann dazu beitragen, Baukosten zu senken und somit auch Mietpreise erschwinglicher zu gestalten. Die Qualitätssicherung durch industrielle Vorfertigung minimiert Baufehler und verkürzt Bauzeiten erheblich.
Außerdem zeigt serielles Bauen, dass Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig teuer sein muss. Durch intelligente Kombinationen von nachhaltigen Baustoffen und innovativen Bauteillösungen können viele Kosten eingespart werden. Es zeigt sich also, dass serielles Bauen zwar kein Allheilmittel, aber sicherlich eine sinnvolle Option ist. Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch eine vereinfachte und vereinheitlichte Baurechtspraxis auf Bundesebene, um den bürokratischen Hürden entgegenzuwirken. Insgesamt lässt sich festhalten, dass seriell gebaute Häuser nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch nachhaltig sein können, wenn sie intelligent geplant und umgesetzt werden.
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