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04.12.2024
Strategie

Die Zukunft der urbanen Stadtplanung – Die Schwammstadt

Viele Städte sind sehr dicht bebaut und ihre versiegelten Flächen sind dementsprechend hoch. Die Folge: Städte und Kommunen kämpfen bedingt durch den Klimawandel immer häufiger mit Starkregen und Überschwemmungen. Die Kanalisation ist mancherorts mit den Wassermassen überfordert. Eine mögliche Lösung: das Konzept der Schwammstadt.[1] Wie sieht diese aus und was hat es damit auf sich? Alle Vorteile, Herausforderungen und die spannenden Chancen dieses innovativen Konzepts beleuchten wir im Artikel.
Die Schwammstadt als nachhaltiges Stadtplanungskonzept

Die urbane Stadtplanung bezieht zunehmend die Wirkungen einer Schwammstadt mit ein. Man will sich dem natürlichen Wasserkreislauf in Städten wieder annähern. Doch was genau ist eine Schwammstadt? Die Stadt speichert das Wasser und gibt es dann kontrolliert ab. Anfallendes Regenwasser soll lokal aufgenommen werden, indem sich die Stadt mithilfe unterschiedlicher Maßnahmen „vollsaugt wie ein Schwamm“. Die Planungen variieren von Maßnahmen am Gebäude und auf dem angrenzenden Grundstück bis hin zu quartiersbezogenen Planungen. Sie stellen dabei eine Kombination aus Regen-Rückhalt, Entsiegelung, Abkopplung, Versickerung, Verdunstung und Bepflanzung dar.[2]


Nachhaltiges Regenwassermanagement


Ein modernes Regenwassermanagement wird für Stadtplaner und Kommunen immer wichtiger. Um Überschwemmungen und die Überlastung der Kanalisation zu verhindern, können in diesem Zuge Flächen geschaffen werden, die in der Lage sind, große Mengen an Wasser aufzunehmen und zeitverzögert in die Kanalisation wieder abzugeben. Diese Flächen sorgen dafür, dass Regenwasser effektiv zurückgehalten und kontrolliert abgegeben wird. Dabei gilt es, Regenwasser möglichst da aufzufangen, wo es anfällt und es genau dort auch dem Regenwasserkreislauf zuzuführen – nach dem Prinzip der so genannten dezentralen Regenwasser-Bewirtschaftung. Das bedeutet, dass Wasser direkt vor Ort verarbeitet wird, anstatt es schnell abzuleiten. Dabei wird es durch natürliche Prozesse wie Versickerung und Filtration im Boden gereinigt. Diese Prozesse ermöglichen es, dass Schadstoffe entfernt werden und das gereinigte Wasser anschließend das Grundwasser anreichern kann.


Das Wasser wird also durch den Boden gereinigt und reichert letztlich das Grundwasser an. Erst das Zusammenspiel aus verschiedenen grünen Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, versickerungsfähigem Pflaster und Entwässerungsmulden macht die wassersensible Stadtentwicklung besonders leistungsfähig. Integraler Bestandteil des Konzepts ist dabei die Flächenentsiegelung: Nur diese ermöglicht eine Wasseraufnahme. Durch die Entsiegelung, also das Aufbrechen von versiegelten Flächen wie Asphalt oder Beton, kann der Boden wieder Wasser aufnehmen. Das so gespeicherte Wasser kann in Trockenperioden zusätzlich für Kühlung sorgen und der Entstehung von Hitzeinseln vorbeugen.

Informationstechnologie und Immobilien (IT&I) Ausgabe Nr. 37 / Mai 2024

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Erträgliches Stadtklima für die Menschen & Natur


Dank der Flächenentsiegelung entsteht mehr Platz für neue Stadtbäume. Sie sind sehr wichtig für die Regulierung des Sommerklimas. Durch den Schatten, den die Baumkronen spenden, und die Kühlung der Umgebungsluft durch Verdunstung gelten Bäume als natürliche Klimaanlage und sorgen für erträgliche Temperaturen. Darüber hinaus speichern sie CO2, filtern Feinstäube, produzieren Sauerstoff und tragen so zu einer verbesserten Luftqualität bei.


Voraussetzung für ihre positiven Ökosystemleistungen ist die Vitalität der Bäume, die nur dann gegeben ist, wenn sie mit ausreichend Luft, Wasser und Wurzelraum versorgt sind. In versiegelten Städten ist das nicht immer der Fall. Das Schwammstadt-Prinzip kann dabei helfen: durch Entsiegelung, Bewässerung und die Schaffung von Baumrigolen – das sind Hohlräume für das Wurzelwerk von Bäumen – haben die Bäume Platz zum Wachsen. Mit dem Wachstum steigt auch die kühlende Wirkung eines Baumes.[3]


Niederschlagswasser besser nutzen


Mithilfe einer intensiven Dachbegrünung von Häusern und Garagen lassen sich bis zu 100 Prozent des Jahresniederschlags zurückhalten. Die Begrünung von Fassaden mit Kletterpflanzen oder mit „Living Walls“, bei der die Fassade direkt bepflanzt wird, trägt vor allem durch die Verdunstungskühle und einer Wärme-, Kälte- und Windisolierung zu einem besseren Mikroklima bei. Regenwasser vom Dach kann zudem in Sammelbehältern am Gebäude gespeichert und als Toilettenspülwasser, zu Reinigungszwecken, zur Bewässerung oder aufbereitet und – mit spezieller Technik – auch für die Kühlung eines Gebäudes verwendet werden.


Auf Verkehrsflächen können regendurchlässige Bodenbeläge zum Einsatz kommen. Auf sonstigen Flächen ist die flächenhafte Versickerung über ausgedehnte Grünflächen möglich oder entlang von Straßen- und Gehwegen mit Mulden bzw. Rigolen-Elementen. Rigolen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen meist mit Kies gefüllten Staukörper enthalten, der bei weniger gut durchlässigen Böden Niederschlag aufnimmt und zwischenspeichert. Spezielle mit Bäumen bepflanzte Rigolen setzen vor allem auf die Verdunstungsleistung des Baumes. Hier wird überschüssiges Sickerwasser gesammelt und verzögert an die Baumwurzeln abgegeben.

Überschwemmungsflächen durch großkronige Bäume in der Stadtplanung

Abbildung 1: Großkronige Bäume schaffen Überschwemmungsflächen für Wasser.

Effektive Regenwassernutzung zur Klimaanpassung


Mit der zunehmenden Herausforderung durch stärkere Regenfälle und den Klimawandel werden mehr Regenwasserzisternen und andere Speicherlösungen notwendig. Bei ausreichend Platz können auch künstlich angelegte Teiche, Gräben und Regenrückhaltebecken zum Einsatz kommen. Sie speichern gereinigtes Regenwasser kurz- oder langfristig ab und bringen es zur Verdunstung.[4] Um Überläufe in der Kanalisation zu verhindern, müssen zudem die unterirdischen Stauraumkapazitäten deutlich erhöht werden. In unterirdischen Becken und Kanälen kann Wasser so zwischengespeichert werden, bevor es zum Klärwerk befördert wird. Ein außergewöhnliches Beispiel ist das Bassin d’Austerlitz. Es ist ein gigantisches Regenwasserbecken in Paris mit einer Tiefe von 30 m und einem Durchmesser von 50 m. So schützt es vor Überflutung und Verschmutzung der Seine. Gerade in einer so dicht besiedelten Metropole wie Paris ein beeindruckendes Projekt.[5]


All diese Maßnahmen wirken sich nachweislich positiv auf den Wasserkreislauf und das Stadtklima aus. Indem sie das Wasser lokal halten und die Verdunstung fördern, reduzieren sie den Hitzestress in urbanen Gebieten. Besonders wichtig ist dies, da die Temperatur in Städten stets um ein bis drei Grad und in der Nacht sogar bis zu 12 Grad Celsius über den Werten des Umlandes liegt. Dieser „Wärmeinseleffekt“ wird bei fortdauernder Klimaerwärmung insbesondere im Sommerhalbjahr für die urbane Bevölkerung zunehmend belastender. Eine zügige Umsetzung des Schwammstadtkonzeptes ist daher für die Anpassung an den Klimawandel heute dringlicher denn je.[6]


Bäume als grüne Retentionsflächen


Das Schwammstadt-Prinzip sichert auch Stadtbäumen das Überleben im Straßenraum. Es ist ein innovatives System, das die gesunde Entwicklung großkroniger Bäume auf versiegelten Flächen wie Gehwegen, Parkplätzen und Straßen ermöglicht. Beim Schwammstadtprinzip für Bäume handelt es sich um eine Bauweise und nicht um ein Bauprodukt. Der Wurzelraum von Bäumen kann, ohne Schäden zu verursachen, unter befestigten Flächen (Gehwege, Parkplätze, Straßen) liegen. Dafür muss der Straßenunterbau eine geeignete Struktur aufweisen, die sowohl den technischen Anforderungen des Straßenbaus als auch den biologischen Ansprüchen von Bäumen gerecht wird. Der zusätzliche positive Effekt ist die Schaffung von Retentionsräumen – Das sind Überschwemmungsflächen für Niederschlagswässer, die das Kanalsystem entlasten und die Bäume auch in Trockenperioden versorgen.[7]


Fazit


Wenn die Schwammstadt oder Regenwasserbewirtschaftung so viele Vorteile hat, warum ist sie nicht längst überall Standard? Auch das ist wieder eine Kostenfrage. Denn Bauflächen sind teuer und Maßnahmen zum Speichern von Regenwasser brauchen Platz. Im Zweifelsfall machen die Maßnahmen ein Bauvorhaben deutlich teurer. Vermutlich wird sich aber das Prinzip einer Schwammstadt durchsetzen, weil es keine Alternativen gibt. Es hat viele Vorteile in Punkto Nachhaltigkeit. Und vor allem gestaltet es urbane Räume lebensnaher – für alle ein großer Pluspunkt.

1/3: Initiative „Grün in die Stadt“ vom BGL: Schwammstadt. Link: https://www.gruen-in-die-stadt.de/schwammstadt/

2/4/6: BUND-Berlin: Schwammstadt - Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Link: https://www.bund-berlin.de/themen/stadtnatur/stadtwasser/schwammstadt/

5: Max Frank GmbH & Co. KG (2024): Projekt Bassin d’Austerlitz. Link: https://www.maxfrank.com/intl-de/projekte/referenzen/bassin-dAusterlitz-paris-FR.php

7: Arbeitsgruppe Schwammstadt (GesnbR): Das Schwammstadt-Prinzip für Bäume. Link: https://www.schwammstadt.at/

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